Prof. Dr. Marc Oliver Grimm beantwortet Fragen zum Blasenkrebs. Er ist Direktor der urologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Jena und spezialisiert auf Tumoren des Urogenitaltraktes.
Herr Professor Grimm, was versteht man unter Blasenkrebs?
Der Blasenkrebs ist ein bösartiger Tumor der Harnblase. Meist geht er von der Schleimhaut aus, die die Innenseite von Blase, ableitenden Harnwegen und Harnröhre auskleidet. Diese Schleimhaut heißt Urothel, wir sprechen daher von einem Urothelkarzinom. Seltener entstehen hier auch andere Tumoren, zum Beispiel Plattenepithel- oder Adenokarzinome. Darüber hinaus unterscheiden wir den Blasenkrebs nach seinem Wachstum. Er kann auf die Oberfläche beschränkt bleiben oder zusätzlich tiefere Gewebeschichten erfassen. Dementsprechend bezeichnen wir die Tumoren als oberflächlich oder invasiv.
Wie viele Menschen sind betroffen?
In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 30.000 Menschen erstmalig an Blasenkrebs, Männer rund dreimal so häufig wie Frauen.1 In etwa der Hälfte der Fälle bleibt das Tumorwachstum auf die Schleimhaut begrenzt.1 Diese oberflächlichen Tumoren streuen in der Regel nicht, sind aber für Patienten trotzdem belastend, da sie nach einer operativen Entfernung mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut auftreten. In den anderen gut 15.000 Fällen wachsen die Tumoren von Anfang an invasiv und sind teilweise auch sehr aggressiv.1 Von den Patienten mit diesen invasiven Tumoren stirbt rund jeder Dritte pro Jahr an der Erkrankung.1
Wodurch entsteht Blasenkrebs?
Blasenkrebs wird häufig durch Umweltfaktoren hervorgerufen, in erster Linie durch giftige Substanzen im Tabakrauch, die über den Urin ausgeschieden werden.2 In der Harnblase, die ja das Speicherorgan für den Urin ist, wirken diese Giftstoffe über einen längeren Zeitraum auf die Schleimhaut ein, sie schädigen dort die Zellen und lösen ein Tumorwachstum aus. Auch andere chemische Substanzen kommen als Auslöser infrage. So trat Blasenkrebs früher gehäuft bei Menschen auf, die in der Farbenindustrie arbeiteten.2 Heute ist der Hauptrisikofaktor aber eindeutig das Rauchen.
Wie macht sich ein Blasenkrebs bemerkbar?
Das typischste Merkmal sind Blutbeimengungen im Urin, die nicht schmerzhaft sind. Wenn der Tumor in der Blase eine gewisse Größe erreicht hat, kann es auch zu anhaltenden Problemen beim Wasserlassen kommen. Hat der Tumor bereits gestreut und sind Metastasen entstanden, bemerken Patienten oft Nachtschweiß, Leistungsschwäche und plötzlichen Gewichtsverlust. Derartige Symptome sollte man unbedingt ärztlich abklären lassen.
Wie kommt es zur Diagnose?
Die wichtigste Untersuchung ist die Blasenspiegelung. Durch sie kann man einen Tumor erkennen und eine Verdachtsdiagnose stellen. Der Tumor wird dann im Rahmen eines kurzen Krankenhausaufenthalts entfernt und mikroskopisch untersucht. Anschließend steht fest, um was für einen Tumor es sich handelt, und ob sich sein Wachstum auf die Schleimhaut beschränkt, oder ob er bereits in die Blasenwand eingedrungen ist.
In welchem Stadium sind die Erkrankungen bei Diagnose üblicherweise?
Zu 70 Prozent sind es oberflächliche Tumoren,2 weitere 5 bis 10 Prozent stehen auf der Kippe, sind also oberflächlich invasiv bis in die Schicht zwischen Schleimhaut und Blasenmuskulatur. Diese Tumoren können auch metastasieren, konsequente Behandlung und engmaschige Nachsorge sind daher sehr wichtig. 20 bis 25 Prozent der Tumoren haben bei der Diagnose bereits den Muskel infiltriert, ein kleiner Teil von ihnen auch bereits Metastasen in anderen Organen gebildet.
Wie wird ein Blasenkrebs behandelt?
Die oberflächlichen Tumoren lassen sich meist mit Instrumenten entfernen, die über die Harnröhre eingeführt werden. Wir sprechen von einer transurethralen Resektion, kurz TUR-B. Wenn die Tumoren bereits in die Blasenwandmuskulatur eingedrungen sind, ist dieses Verfahren aber nicht mehr geeignet, um eine Heilung herbeizuführen. Stattdessen werden die Blase und zusätzlich die Lymphknoten in der Umgebung entfernt, da sie auch schon von Krebszellen befallen sein können. Die Patienten erhalten dann zur Harnableitung entweder eine Ersatzblase aus Dünndarmgewebe oder einen künstlichen Ausgang, über den der Urin in einen Beutel entleert wird.
Wann wird eine medikamentöse Therapie notwendig?
Ein Befall der umgebenden Lymphknoten deutet darauf hin, dass der Tumor aggressiv wächst, sodass eine systemische Therapie mit Medikamenten notwendig wird. Dasselbe gilt, wenn weiter entfernt liegende Metastasen vorhanden sind. Patienten erhalten dann meistens Chemotherapeutika. Das sind Zellgifte, die in erster Linie auf sich teilende Zellen – wie Tumorzellen – wirken, diese schädigen und absterben lassen. Allerdings führt eine Chemotherapie auch zu Nebenwirkungen, wie beispielsweise Haarausfall, Blutarmut und Immunschwäche. Seit einiger Zeit steht für die Behandlung des Blasenkrebses eine weitere Gruppe von Medikamenten zur Verfügung: sogenannte Immunonkologika. Sie attackieren den Tumor nicht direkt, sondern stimulieren das Immunsystem des Patienten, sodass es den Tumor bekämpfen kann.
Wo können solche Therapien durchgeführt werden?
Die Versorgungssituation ist regional etwas unterschiedlich, grundsätzlich können die Therapien sowohl bei Onkologen als auch bei Urologen durchgeführt werden. Wichtig ist, dass die behandelnden Ärzte eine Spezialisierung aufweisen – Onkologen für Tumoren des Urogenitaltrakts, Urologen für die medikamentöse Tumortherapie. So ist gewährleistet, dass Patienten eine Therapie auf dem aktuellen Stand des Wissens erhalten.
Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.merckgroup.com/de/expertise/oncology.html
Literatur
- Robert Koch-Institut. Krebs in Deutschland 2015/16.
- Leitlinienprogramm Onkologie. Blasenkrebs – Eine Leitlinie für Patientinnen und Patienten (Mai 2017). Online verfügbar unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/patientenleitlinien/blasenkrebs/.
Letzter Zugriff: 17.12.2020
Mit freundlicher Unterstützung von Merck Serono GmbH
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